Strategieeinführung vs. Zwänge des Tagesgeschäftes

Kann Strategieeinführung parallel zum Tagesgeschäft funktionieren?

Es ist Zeit, die Säge zu schärfen!

Kennen Sie schon die Anekdote von dem US-amerikanischen Bestseller-Autor Stephen Covey? Sehr simple, aber eine Geschichte, die genau das auf den Punkt bringt, worauf man immer wieder im Business-Alltag stößt:

Ein Mann geht im Wald spazieren und sieht auf einmal einen Waldarbeiter, der schweißgebadet und fluchend versucht einen großen Stapel Holz zu sägen.

Der Mann fragte dann: „Warum nehmen Sie sich nicht die Zeit und schärfen Ihre Säge? … Dann würde es viel schneller und leichter gehen.“

Der Holzarbeiter schüttelte entrüstet den Kopf und antwortete: „Sehen Sie denn nicht, wie viel ich zu tun habe? … Dafür habe ich keine Zeit! … Ich muss sägen!

Das Tagesgeschäft nimmt immer mehr Raum ein, es bleibt wenig Zeit nach links oder rechts zu schauen, das Handeln tiefergehender oder gar die Effektivität zu hinterfragen. Es ist oftmals aufgrund notwendiger Ad hoc-Entscheidungen kaum möglich jegliche operative Maßnahme an der Strategie auszurichten, um die ganzheitliche Vision zu erreichen.

Daraus resultierend kommt es leider auch zu oft vor, dass aufgrund fehlender Zeit bzw. Ressourcen verstärkt die kurzfristigen Ziele angestrebt werden, wodurch wichtige strategische Projekte auf der Strecke bleiben. Denn kurzfristig erzielbare finanzielle Erfolge werden anders bewertet in den Jahreszielen als Projekte, die den finanziellen Benefit erst nach Jahren stiften.

Aber warum ist das so?

Wie sollte es denn anders sein, wenn primär operative Aufgaben gestemmt und Tagesgeschäft verwaltet werden muss? Dies auch mit dem Hintergrund einer steigenden Komplexität, aber zugleich einer sinkenden Budgetverantwortung. Ziele werden oftmals nur Top-down heruntergebrochen. Unberücksichtigt bleibt auch die generelle Schnelllebigkeit unserer Zeit: die Verweildauer der meisten Manager in einem Unternehmen sinkt, die Fluktuationsraten steigen. Zum Teil wird es sogar gefordert, denn Manager, die lange in nur einem Unternehmen bleiben, werden als unflexibler und weniger erfahren angesehen. Doch wo bleiben bei solch einer Schnelllebigkeit und vielfältigen Änderungen die langfristigen Ziele? Und nebenbei – das Geschäftsjahr ist der gängige Betrachtungszeitraum, KPIs und Boni werden also auch aufgrund dieser Bemessungsgrundlage festgelegt.

Die Liste der Punkte, die das Leben der operativen Manager so schwer macht, ist lang. Nur die wenigsten von ihnen schaffen unter den Gegebenheiten den Spagat von dem operativen zum strategischen Management. Im Wesentlichen sind die folgenden Punkte zu nennen:

Was ist der Schlüssel für die strategische Ausrichtung des Tagesgeschäftes?

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Aber was ist eigentlich der Kernfaktor, der nur zu oft keine Berücksichtigung findet?

Die oben genannten Punkte sind für viele schon bekannt, aber warum gelingt die Strategieeinführung parallel zum Tagesgeschäft einfach nicht? Kultur, Emotion und harmonisierter Strategieprozess sind hier die großen Schlagwörter.

 

Emotionen

Der Mensch ist kein rationales Konstrukt wie viele wohl meinen. Entscheidungen werden im Tagesgeschäft oft aus dem Bauchgefühl, Intuition oder aus dem Erfahrungswissen heraus getroffen, auch wenn diese nicht mit den strategischen Vorgaben korrelieren. Die Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass bloß 1-30 % unserer Handlungen rationaler Natur sind. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass auch nur 1-30% unserer Entscheidungen bewusst und somit gemäß den strategischen Zielen getroffen werden. Der Rest und damit der größte Teil unserer Entscheidungen werden von emotionsbedingten Faktoren bestimmt. Für eine strategieorientierte Unternehmensführung ist es also von essentieller Bedeutung, Anreizsysteme zu schaffen und zu etablieren, die genau diesen emotionalen Entscheidungsprozess automatisch in Richtung Strategie lenken.

 

Kultur

In diesem Zusammenhang wird auch wieder deutlich, wie wichtig eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur ist. Denn besonders bei Strategieeinführungen ist es unentbehrlich, dass alle an einem Strang ziehen und nicht nur primär die eigenen Bereichsziele verfolgen. Wenn es den Top-Managern gelingt, Engagement für die Strategieimplementierung zu erzeugen, indem sie die Bereichsleiter und die anderen Mitarbeiter durch klare, verständliche sowie ansprechende Kommunikation auf der emotionalen Ebene erreichen, also ihnen verständlich machen, was von dem Gelingen abhängt, kann eine hohe Akzeptanz und Identifikation erreicht werden.

Zur Strategieumsetzung werden oft aufwändige Change Management Projekte organisiert, um die Mitarbeiter in die „richtige Richtung“ zu zwängen. Dass mit diesem Ansatz oft nur das Gegenteil erzielt wird, liegt auf der Hand. Denn dadurch, dass die neue Strategie in Form von starren Regeln vorgegeben wird, ohne diese zielgruppengerecht verständlich zu kommunizieren, löst das eine nicht zu unterschätzende Abwehrhaltung der Mitarbeiter aus, die dazu führt, dass wichtige Informationen nicht weitergegeben werden und dass das Engagement für eine reibungslose Einführung nachlässt. (Mehr dazu siehe Unternehmenskultur vs. Unternehmenserfolg)

 

Integrierter Rückkopplungsprozess

Auch der Fakt, dass Strategieentwicklung und -umsetzung zwei separate Prozesse sind, die von zwei unterschiedlichen Gruppen vollzogen werden, provoziert vielmehr einen Parteienkrieg. Denn wenn die Strategieeinführung scheitert, dann wird automatisch immer das Tagesgeschäft verurteilt. Die zwei Prozesse müssen also zu einem durchgängigen wechselwirkenden Prozess umgestaltet werden, wo auch eine klare Feedbackschleife integriert ist. Dafür eignet sich keineswegs das zu oft in der Praxis anzutreffende (reine) Top-Down-Verfahren, das lediglich eine Abwehrhaltung seitens der Mitarbeiter hervorruft. Zur durchgängigen reibungslosen Strategieeinführung ist eine Kombination aus dem Top-Down und Bottom-Up Verfahren essenziell, damit das Tagesgeschäft aktiv eingebunden werden kann. Denn wenn alle Beteiligten im Strategieentwicklungsprozess einbezogen sind, ist die Akzeptanz und Motivation diese zu verfolgen viel größer. Es muss auch klar gemacht werden, dass das eigene Denken und Handeln erwünscht und gefragt ist. Auf diese Weise können Störfaktoren schnell erkannt und entsprechende Gegensteuerungsmaßnahmen eingeführt werden. Denn dem Top-Management muss bewusst sein, dass es eigentlich kaum eine Strategie gibt, die alle Rahmenbedingungen und Gegebenheiten der täglichen Arbeit berücksichtigt. Daher ist ein aktiver Rückkoppelungsprozess bzw. die aktive Teilnahme der Beteiligten essentiell.

 

Säge schärfen?

Und da sind wir wieder bei „Zeit, die Säge zu schärfen“. Man muss sich also die Zeit nehmen und die Sache am Kern anpacken, um eine höchstmögliche Effektivität sicherzustellen, auch wenn es besonders zu Beginn einen hohen Aufwand mit sich bringt, denn der Aufwand im Nachhinein fällt i.d.R. viel höher aus. Es ist viel effektiver, sich zuerst Gedanken über die Visionen, Ziele und Strategien zu machen, anstatt sich im Hamsterrad des Tagesgeschäftes in der Routine zu verlieren. Das gibt der eigenen Tätigkeit einen Sinn und fördert durch die Erreichung eines messbaren Erfolges die Motivation und Zufriedenheit aller Beteiligten. Dies erleichtert nicht nur die reibungslose Strategieeinführung, sondern vereinfacht alle Planungs- und Implementierungsprozesse.

Und um die Frage vom Anfang zu beantworten – Ja, eine Strategieeinführung kann parallel zum Tagesgeschäft funktionieren. Dies ist jedoch nicht einfach und bedarf einiger Überlegungen, gerade auch strategischer Natur, damit dies zum Erfolg wird. Oder um es nochmal anders zu formulieren: Axt und Säge erhalten den Wald (Zitat Ök. Rat Orsini-Rosenberg).

PS: Lesen Sie hierzu auch Berge & Propheten und Unternehmenskultur vs. Unternehmenserfolg

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